Protestaktion „Nein zur Gesundheitsversorgung nach Kassenlage“
Thema: Die Vor-Ort Versorgung steht auf der Kippe!
Apothekerverband und Ärztegenossenschaft Nord (äg Nord) sehen in Schleswig-Holstein die wohnortnahe medizinische Versorgung gefährdet und fordern die Politik anlässlich der Kommunalwahlen im Mai in Schleswig-Holstein zum Handeln auf.
Seit Monaten protestieren Ärzt:innen und Apotker:innen gegen die Sparpolitik der Ampelkoalition aus Berlin und fordern die Politik auch in den Kommunen, Kreisen und im Landtag auf, sich stärker einzusetzen für Hilfen bei
- Ärztemangel in Stadt und Land, Ruhestandswelle
- Apothekermangel, Apothekenaufgabe
- Fachkräftemangel
- Lieferengpässe bei Arzneimitteln, Rabattverträge
- Zunehmende Bürokratie und Administration
- Einer Rechtsgrundlage für ein gemeinsames Medikationsmanagement
- Einen Ausgleich höherer Anforderungen durch die Telematikinfrastruktur (eRezept)
- Investitionen zur regionalen kooperativen Berufsausübung (Gesundheitszentren)
„Fehlt die Apotheke und die Arztpraxis auch noch vor Ort, rutscht eine Kommune ganz ins Abseits“, so Hans-Günther Lund, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein.
„Mit diesen Forderungen wollen wir die Gesundheitsversorgung im Land sichern und auch künftigen Generationen bessere Rahmenbedingungen bieten, um sich für den Schritt in die Selbstständigkeit in einer wohnortnahen ambulanten Versorgung zu entscheiden“, so Dr. Svante Gehring, Vorstandsvorsitzender der äg Nord und Hausarzt. „Zu einer zukunftsfähigen Struktur einer Kommune gehört die Praxis und Apotheke vor Ort. Nur so bleiben unsere Gemeinden in Schleswig-Holstein attraktiv und lebenswert. Wie Schulen, Kindergärten gehören Arztpraxen und Apotheken mittlerweile zur Daseinsvorsorge. Nicht nur Krankenhäuser“.
Angemessene Preise für Leistungen in den Praxen und Apotheken.
Über Jahrzehnte begrenzt der Gesetzgeber die Finanzierung und versucht damit die Leistungsmenge in der medizinischen Versorgung zu regulieren (Budgetierung). Die Menge des begrenzten Geldes steht einer zunehmenden Nachfrage der Bürger gegenüber. „Alter, Demografie, Multimorbidität führen zu einer erhöhten Nachfrage, mehr Termine, als Ärzte anbieten (Ärztemangel).
In Schleswig-Holstein werden in den nächsten 5-10 Jahren die Hälfte der Hausärzte aufhören. Die Nachfrage wird das Angebot an Ärzten um ein Mehrfaches übersteigen“, so Dr. Axel Schroeder, stv. Vorsitzender, äg Nord. „Die Lösungen sind angemessene Preise für unsere Leistungen. Die Honoraranpassungen der Krankenkassen (2% für 2023) sind unzureichend.“
Nicht anders sieht es bei den Apotheken aus. „Rund 150 Apotheken mussten in den letzten 15 Jahren ersatzlos schließen. Damit steht jede 5. Apotheke der Versorgung in Schleswig-Holstein nicht mehr zur Verfügung. Tendenz zunehmend“, so H.-G. Lund.
Erschwerend kommt hinzu, dass junge Mediziner:innen und Apotheker:innen unter den existenzgefährdenden Bedingungen nicht mehr gewillt sind in die Selbständigkeit zu gehen.
Investitionen werden erschwert und der Nachwuchs von einer Niederlassung abgeschreckt.
Auch das festgelegte Fixum der Arzneimittelpreisverordnung (derzeit 8,35 €, gefordert werden 12,00 € netto) berücksichtigt die ständig steigenden Kosten nicht.
„So sind Apotheken und Praxen gleichermaßen durch Inflation, höhere Miet-, Personal-, Material- und Energiekosten gefährdet“, so A. Schroeder.
Medikamentenknappheit
Auch Apotheken in Schleswig-Holstein sind weiterhin von den Engpässen bei der Versorgung von Arzneimitteln (Fiebersäften, Antibiotika, Blutdrucksenker und anderen Arzneistoffen) betroffen. „Patienten müssen reihenweise Apotheken abklappern, Apotheker müssen in ganz Europa herum telefonieren, um noch an Medikamente heranzukommen oder Rücksprache mit den behandelnden Ärzt:innen halten, ob ein anderer Wirkstoff helfen könne“, so. H-G. Lund. Grund für die Lieferschwierigkeiten sind die stak gesunkenen Preise für diese Wirkstoffe mit Rabattverträgen. „An den Preisschrauben wurde über viele Jahre von den Krankenkassen immer weitergedreht und zuletzt überdreht. Krankenkassen haben den „Altmittel-Arzneibereich“ kaputtgespart, dass es sich für die Hersteller preislich nicht mehr lohnt diese Produkte auf den Markt zu bringen“. In Deutschland gibt es laut Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte bei mehr als 470 Medikamenten Lieferengpässe.
Gerade bei Lieferengpässen oder Formfehler durch Ärzt:innen muss die Handlungsfreiheit für Apotheker:innen für eine schnelle Versorgung von Patienten mit Arzneimitteln ohne Retaxationsverfahren (abgegebenes Medikament wird nicht bezahlt) gegeben sein und der höhere Aufwand in Praxen und Apotheken ausgeglichen werden, so die äg Nord und der Apothekerverband. Ein Zuschlag von 50 Cent, wenn ein verordnetes Medikament nicht lieferbar ist, wird dem vermehrten zeitlichen Aufwand für Ärzte und Apotheker nicht gerecht.
Beide Organisationen fordern eine gemeinsame Rechtsgrundlage für ein gemeinsames Medikamentenmanagement.
Daseinsvorsorge
Das Vorhalten einer grundlegenden Infrastruktur durch wohnortnahe, flächendeckende Apotheken und Arztpraxen wird nicht honoriert, geschweige denn gewürdigt. „Es bedarf jetzt einer Vorhalte/Grundsicherungspauschale für beide Arten der Betriebsstätten“, so S. Gehring. „Statt dessen werden betriebswirtschaftliche Einkünfte und Handlungsspielräume in Apotheken und Praxen beschränkt, auf der anderen Seite bleibt die Haftung und das betriebswirtschaftliche Risiko bis hin zur persönlichen Insolvenz bei Apotheker:innen und Ärzt:innen hängen. Hier ist eine Absicherung dringend erforderlich (Daseinsvorsorge), um die bewährten mittelständischen Strukturen durch Vor-Ort-Apotheken und – Praxen zu erhalten.
Es bedarf mehr Investitionen des Landes und Entlastung der Kommunen, um regional die ambulante Versorgung in kooperativer Berufsausübung wie in Gesundheitszentren zu fördern. Hier sind die Kandidat:innen der Parteien und Wählervereinigungen am 14. Mai gefordert, sich für eine funktionierende Gesundheitsversorgung einzusetzen. Letztendlich steht am Ende die Politik im Land, im Kreis und in der Kommune dafür gerade“, resümiert A. Schroeder.
Bad Segeberg, 18.04.2023
Pressekontakt:
Ärztegenossenschaft Nord e.G.
Dr. Axel Schroeder, stellvertretender Vorstandsvorsitzender
Telefon: 04551 9999-0
E-Mail: aerztegenossenschaft@aegnord.de
Apothekerverband S-H
Georg Zwenke, Geschäftsführer
Tel: 0431-319360
E-Mail: verband@apotheke-sh.de