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Positionspapier der ADA – Bundesverband der Arzt-, Praxis- und Gesundheitsnetze

15.05.2025 | Info, Pressemitteilungen

Kommentar zum Koalitionsvertrag CDU/SPD vom 09.04.2025

Berlin, 17. April 2025 – Die Inhalte des Koalitionsvertrags markieren ein konstruktives Bemühen um Konsens – gleichwohl bleiben sie hinsichtlich der drängendsten Strukturfragen im Gesundheitswesen unzureichend. Als Bundesverband begrüßen wir ausdrücklich die Bereitschaft zu schnellen Ergebnissen, sehen jedoch gravierende Defizite in Bezug auf Steuerung, Finanzierung und Versorgungsrealität.

1. Finanzielle Nachhaltigkeit erfordert strukturelle Logik – keine Zweckentfremdung von Sondervermögen

Die zentrale Herausforderung der gesundheitspolitischen Debatte – die nachhaltige und generationengerechte Finanzierung des Gesundheitssystems – bleibt unbeantwortet. Eine ernsthafte Systemreform muss die duale Finanzierung in ihrer ursprünglich intendierten Form konsequent umsetzen und das Sondervermögen klar auf investive, nicht konsumtive Zwecke beschränken. Die wiederholte Zweckentfremdung zur Deckung laufender Ausgaben unterminiert die Stabilität des Systems.

2. Fehlanreize und Mengenausweitung: Das System versorgt ineffizient

Das derzeitige Vergütungssystem erzeugt durch ökonomischen Druck einen strukturellen Zwang zur Mengenausweitung – etwa bei apparativer Diagnostik wie Katheteruntersuchungen oder MRTs. Diese Entwicklung ist volkswirtschaftlich ineffizient, medizinisch teilweise unnötig und untergräbt Versorgungsqualität. Das sogenannte „Hamsterrad“ des Systems – gepaart mit dem Kellertreppeneffekt – führt nicht nur zu Wartezeiten, sondern unterläuft auch medizinische Prioritätensetzungen.

3. Fehlende Steuerungsstrukturen: Primärarztsystem ohne Lenkung ist wirkungslos

Die Etablierung eines Primärarztsystems, ist grundsätzlich sinnvoll, bleibt jedoch ohne flankierende digitale Steuerungsinstrumente ineffektiv. Eine verbesserte Versorgung erfordert zwingend eine koordinierte Patient*innen Steuerung, sowohl durch digitale Verfahren als auch durch Einschreibemodelle zur Steuerung des Zugangs in die richtige Versorgungsebene (hausärztlich/fachärztlich/Notfall).

4. Multiprofessionelle Versorgung als Schlüssel zur regionalen Effizienz

Ein evidenzbasiertes, zukunftsfähiges Versorgungssystem setzt auf ambulant/stationäre Kooperation statt sektoraler Trennung. Multiprofessionelle, koordinierte Teams – bestehend aus Ärzt*innen, MFA, Pflegekräften, Apotheken, Lotsen und weiteren Berufsgruppen – stellen eine bewährte Lösung dar. Praxisnetze und SAPV-Teams zeigen bereits heute, dass eine sektorübergreifende Versorgung im Rahmen selektivvertraglicher Modelle effizienter, patientenorientierter und volkswirtschaftlich effizienter funktioniert.

5. Prävention und Patientenbeteiligung: Fehlanzeige

Im vorliegenden Ergebnispapier fehlen nicht nur strukturierte Präventionsansätze, sondern auch jedwede Beteiligung der Patientinnen an ihrer eigenen Gesundheitssteuerung. Unnötige Notdienstinanspruchnahmen könnten durch finanzielle Beteiligung von Patientinnen in Kombination mit evidenzbasierten Selbsteinschätzungsverfahren wie SMED verringert werden.

6. Regionale Versorgung braucht regionale Verantwortung

Eine regionale Versorgungssteuerung, wie sie Arzt-, Praxis- und Gesundheitsnetze sowie kommunale Initiativen in vielen Regionen Deutschlands erfolgreich praktizieren, bleibt im Papier vollständig unberücksichtigt. Ohne regionale Verantwortung wird Effizienzpotenzial ungenutzt bleiben – insbesondere in strukturschwachen oder unterversorgten Gebieten.

7. Fehlannahmen zur Leistungsfähigkeit des stationären Sektors: Ambulantisierung funktioniert nur mit einem starken ambulanten Sektor

Die Annahme, der stationäre Bereich könne substanzielle Anteile der ambulanten Versorgung zusätzlich übernehmen, ist realitätsfern. Personalmangel, ineffiziente Prozesse und bestehende Belastungsgrenzen machen deutlich: Eine solche Verschiebung würde Versorgungslücken vergrößern, nicht schließen.

8. Positiv: Bürokratieabbau als notwendiger, aber nicht hinreichender Schritt

Die vorgesehenen Maßnahmen zum Bürokratieabbau sind ein positives Signal. Sie müssen jedoch durch weitergehende Reformen im Bereich Delegation, Digitalisierung und sektorübergreifender Zusammenarbeit ergänzt werden

Unsere Forderungen im Überblick:

  1. Verbindliche regionale Steuerungsinstrumente: u.a. Verzahnung von 112 und 116/117
  2. Patientenbeteiligung bei Inanspruchnahme von Notdiensten in Kombination mit Triagierung
  3. Anreiz-Systeme zur Lenkung des Zugangs ins Versorgungssystem
  4. Konsequenter Einsatz digitaler Steuerungslösungen
  5. Förderung kooperativer, multiprofessioneller Versorgungsstrukturen auf regionaler Ebene
  6. Steuerfinanzierung für systemfremde Leistungen
  7. Überarbeitung der Regeln zur Delegation und angemessene Vergütung delegierter Leistungen

Wir stehen bereit, unser Know-how und unsere Erfahrungen aus der regionalen Netzversorgung in den politischen Diskurs einzubringen. Es ist unser Ziel, gemeinsam mit der Politik ein gesundheitsökonomisch tragfähiges, qualitätsorientiertes und zukunftsfähiges Versorgungssystem zu gestalten.

Kontakt:

AdA – Bundesverband der Arzt-, Praxis und Gesundheitsnetze e.V.
Friedrichstraße 171
10117 Berlin

Fon: (03 0) 403 656 700
Fax: (03 0) 403 656 709
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