Das Oberlandesgericht Dresden bestätigte ein vorangegangenes Urteil des Landesgerichts und führte detailliert aus:
“Von der Pflicht zur Aufklärung nach § 630e Abs. 1 S 3 BGB sind auch Behandelnde nicht befreit, die sich alternativmedizinischer Verfahren bedienen. Beabsichtigt der Behandelnde, den Patienten bspw. einer homöopathischen Behandlung zu unterziehen, so hat er ihn nicht nur unmissverständlich darüber zu informieren, dass er damit von der (faktischen) Standardbehandlung der Schulmedizin abweicht, sondern auch, warum er dies tut und welche Vor- und Nachteile der Patient hieraus zu erwarten hat.”
Die Grundaufklärung gelte zudem nur dann als erteilt, wenn dem Patienten ein zutreffender Eindruck von der Schwere des Eingriffs und von der Art der Belastungen vermittelt wird, die für seine körperliche Integrität und Lebensführung auf ihn zukommen können. Dazu gehöre in aller Regel auch ein Hinweis auf das schwerste in Betracht kommende Risiko, das dem Eingriff spezifisch anhafte. Auf eine ggf. fehlende wissenschaftliche Evidenz muss hingewiesen werden. Das Gericht weiter:
“Fehlt es an der Grundaufklärung, dann hat der Arzt dem Patienten die Möglichkeit genommen, sich auch gegen den Eingriff zu entscheiden und dessen Folgen zu vermeiden. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist im Kern genauso tangiert, als wenn der Arzt den Eingriff vorgenommen hätte, ohne den Patienten um seine Zustimmung zu fragen.”
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Kläger im vorliegenden Fall infolge eines Provokationstests und der hierbei verabreichten Chemikalien eine erhebliche Leberschädigung, eine Thrombozytopenie, einen als schmerzensgeldrelevanten Aufenthalt auf der Intensivstation mit einem vorübergehend lebensbedrohlichen Zustand erlitten.
Quelle: OLG Dresden, Az.: 4 U 1610/21, Urteil vom 23.07.2024
Was bedeutet das Urteil für die Praxis?
Die Schädigung des Patienten ist in diesem Fall als schwer anzusehen. Das Urteil bezieht sich allerdings nicht ausschließlich auf besonders schwere Fälle. Es begründet vielmehr einen Präzedenzfall für alle alternativmedizinischen Behandlungen. Dem muss im Patientenkontakt zwingend Raum gegeben werden.
Ärzten und Ärztinnen, die Patienten und Patientinnen ganzheitlich-alternativmedizinisch behandeln, muss somit angeraten werden, vor der entsprechenden Behandlung eine umfassende Belehrung zur Aufklärung vorzunehmen, mit Aushändigung eines entsprechenden Schreibens an den Patienten/ die Patientin. Auf ärztlicher Seite muss ein Exemplar dieses Schreiben – mit Unterschrift von Patient/Patientin versehen – für die Unterlagen der Arztpraxis verbleiben. Nur so kann im Fall der Fälle bewiesen werden, dass die notwendige Aufklärung stattgefunden hat.