Startseite 9 Ärzteschaft 9 Krisensitzung der Vertragsärzteschaft in Berlin

Krisensitzung der Vertragsärzteschaft in Berlin

09.08.2023 | Ärzteschaft, Gesundheitspolitik

PraxenKollaps – Praxis weg, Gesundheit weg!“: Unter diesem Titel schlagen die Kassenärztlichen Vereinigungen derzeit in einer konzertierten Aktion Alarm. Sie sehen die flächendeckende ambulante Versorgung in Gefahr.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die KVen rufen zu einer Krisensitzung der deutschen Vertragsärzte – und Psychotherapeutenschaft auf. Vertreter aller Berufsverbände sind aufgerufen, Mitten in den Sommerfeien am 18.August, nach Berlin zu kommen. Die KVen wollen vor den Honorarverhandlungen im September noch ein Zeichen setzen.

Man will an diesem Tag gemeinsam mit den Vertretern der Vertragsärzteschaft der Politik, und Gesellschaft deutlich machen, dass die Zukunft der ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung auf dem Spiel steht und jetzt gehandelt werden muss.

Das ist gut so! Was lange währt, wird endlich gut?

Keine neue Erkenntnis. Nun kommt es auf die Umsetzung an!

Die Gesundheitsversorgung nach Kassenlage hat zunehmend unser ambulantes Versorgungssystem ausgezehrt, kaputtgespart. Mangelnde Wertschätzung von Politik und Gesellschaft für die Arbeit der Praxisteams.

Die Folge: wachsende Resignation und zunehmende Flucht aus dem System mit spürbar fehlendem ärztlichen Nachwuchs und drastisch steigendem MFA-Mangel. Somit droht letztendlich der Kollaps des über Jahre bewährte ambulante Versorgungssystem in Deutschland, so die Verlautbarung der KBV.

Hinzukommen steigende Kosten im Gesundheitsbereich bei einer Inflation, steigenden Praxiskosten und fehlendem finanziellen Ausgleich. Die Honorarabschlüsse der letzten Jahre haben in keiner Weise die Defizite ausgeglichen. Die Krankenkassen kamen häufig mit Nulllösungen und jetzt bringen sie auch schon wieder diese Forderungen in die Verhandlungsdebatte.

Ein „Weiterso“ kann und darf es nicht mehr geben, denn sonst bricht unser Gesundheitssystem in Anbetracht der Alterung der Gesellschaft zusammen. Das Hauptproblem ist die Demografie bei steigender Nachfrage und dem gegenüber eine Ruhestandswelle der Ärztinnen und Ärzte bei mangelndem ärztlichen Nachwuchs und Fachkräften.

Als Ärztegenossenschaft haben wir im Herbst 2022 bis ins Frühjahr 2023 in einer konzertierten Aktion mit den fachärztlichen Berufsverbänden und Ärztenetzen in Schleswig-Holstein mit unserer Protestkampagne – nein zur Gesundheitsversorgung nach Kassenlage – auf die Fehlentwicklung in der Gesundheitsversorgung hingewiesen, insbesondere in der ärztlichen ambulanten Versorgung. Das nicht nur in der ländlichen Region in Norddeutschland sondern auch in städtischen Räumen.

Unsere Kampagne war erst der Anfang in Norddeutschland und soll nicht die letzte gewesen sein. Nachdem wir die Probleme der ambulanten Versorgung der Vertragsärzte- und Psychotherapeutenschaft im Lande in den Fokus der Politik und der Gesellschaft gerückt haben, gilt es nun unsere Forderungen und Lösungsvorschläge in der Gesundheitsversorgung in die Öffentlichkeit zu bringen. Was sich an Ansätzen einer Gesundheitsreform auf Bundes – und Landesebene abzeichnet ist zwar teilweise auf dem richtigen Wege und gilt es nun seitens der Politik mit der Ärzteschaft umzusetzen.

Zunächst unsere Forderungen an Politik und Krankenkassen

  • Leistungsgerechtes Honorar

Wir fordern jetzt einen Honorarabschluss, der die Defizite der letzten Jahre ausgleicht und uns künftig in den Praxen eine nachhaltige, verlässliche Honorierung sichert. Die Unterfinanzierung der ambulanten medizinischen Leistungen müssen beseitigt werden. Diese Honorarlücke gilt es zu schließen. Um die steigenden Kosten der vergangenen Jahre in unseren Praxen auszugleichen, benötigen wir einen Anstieg des Orientierungspunktwertes von jeweils ca. 10% über die nächsten 4 Jahre!

Um die ambulante Versorgung mit zunehmend angestellten Ärztinnen und Ärzten in Zukunft aufrechtzuhalten, noch wesentlich mehr!

Die Grundsätze und Kriterien der Anpassung des Orientierungspunktwertes müssen ausgesetzt bzw. entsprechend angepasst werden. Hier ist der Gesetzgeber gefordert.

Keine jährlich rückwirkenden Honoraranpassungen. Wir brauchen eine Perspektive. Eine nachhaltige und planbare Versorgungssituationen für unsere Patienten. Für den Ärztenachwuchs wird eine Niederlassung sonst zunehmend unattraktiv.

  • Abbau von Bürokratie und Administration:
    Wir fordern eine Abschaffung der Budgetierung für alle Vertragsärzte, der Bedarfsplanung und Anpassung der Zulassungsverordnung solange die Demografie in Deutschland unsere Gesellschaft fordert und überfordert.
  • Eine Digitalisierungsoffensive die uns in den Praxen nützt

Unsere Lösungsvorschläge:

  • Politik muss sich von dem seit Jahren propagierten unbegrenzten Leistungsversprechen lösen.
  • Wir sind z.B. für eine Steuerung der Patienten: Zunächst durch das Notfallsystem. Dazu gehört eine strukturierte Ersteinschätzung und die darauffolgende Zuordnung in die richtige Behandlungsebene. Patienten, die vorbei an dieser Steuerung, eine Fehlbeanspruchung auslösen, müssen im Rahmen der Solidargemeinschaft eine Selbstbeteiligung tragen.
  • Es gilt den Grundsatz ambulant vor stationär umzusetzen. In Deutschland wird nach wie vor zu viel stationär statt ambulant versorgt. Der medizinische Fortschritt, die Innovation aber auch die personellen und finanziellen Ressourcen erfordern mehr ambulante Versorgung im Krankenhaus und in den Praxen.
  • Die Intersektorale Versorgung, viel beschworen aber wenig umgesetzt, ermöglicht in der stationären und ambulanten Grundversorgung eine ressourcenschonende qualifizierte, flächendeckende medizinische Versorgung.
  • Die gesetzliche Grundlage für die Ambulantisierung ist mit Paragrafen § 115 f geschaffen worden. Nur die gemeinsame Selbstverwaltung hatte den Auftrag, bis Ende März 2023 für bestimmte Leistungen eine spezielle sektorengleiche Vergütung zu vereinbaren, nicht erfüllt. Dies ist einzufordern.
  • Die Krankenhauslandschaft wird unweigerlich in den kommenden zehn Jahren eine große Umstrukturierung erfahren. Egal wie um die Eckpunkte der Krankenhausreform auf Bund-Länderebene gerungen wird.
  • Neue Versorgungsformen wie die der regionalen Versorgung, Gesundheitsregionen, regionalen Gesundheitszentren, können zukünftige Modelle sein, die den Wettbewerb zwischen Ärztinnen und Ärzten im vertragsärztlichen Sektor und Krankenhäusern regelt. Die gilt es auszuprobieren.

Von dem 18. August muss mehr als eine Botschaft ausgehen!

Forderungen müssen postuliert werden und Konsequenzen aufgezeigt werden.

  • Z.B. die Ausweitung der Sprechstunden von 20 auf 25 Stunden auszusetzen. Bei vorenthaltener Gegenfinanzierung (Abschaffung der Neupatientenregelung) und steigenden Praxiskosten sind die zusätzlichen 5 Sprechstunden bis auf weiteres nicht mehr aufrecht zu erhalten.
  • Die Leistungen müssen der zur Verfügung gestellten Geldmenge angepasst werden. Weniger Sprechstunden, schont die Ressourcen in der Praxis: Nicht das Hamsterrad ist angesagt, sondern die Fallzahl anpassen und damit den Fallwehrt anheben. Weniger kann mehr sein.
  • Schließlich bedingen weniger Sprechstunden längere Wartezeiten und längere Wege. Das muss die Öffentlichkeit wissen, die Politik aushalten. „Ein Weiter so geht nicht mehr“!

Es wird sich zeigen, ob am 18. August in Berlin, die Ärzteschaft geschlossen und entschlossen für Veränderungen in den nächsten Monaten kämpfen will. Für die Aufrechterhaltung einer qualifizierten, flächendeckenden Patientenversorgung.

Wir unterstützen die Initiativen und fordern schon heute als Ärztegenossenschaft unsere Mitglieder, die Berufsverbände und Ärztenetze in Norddeutschland auf, sich aktiv an den Protestkampagnen im Herbst zu beteiligen.

Safe the date!

  • Öffentliche Krisensitzung der KBV, KVen und Berufsverbände am 18. August 2023 in Berlin
  • MFA-Protesttag am 08. September 2023 in Berlin
  • In Planung: Weitere Aktionen; bundesweiter Protesttag, Montag den am 02. Oktober 2023 in Deutschland.
Loading...