Die Ärztegenossenschaft Nord will künftig eigene Medizinische Versorgungszentren gründen und betreiben. Was genau steckt dahinter? Und wie weit sind die Pläne vorangeschritten? Das fragte der änd Vorstandsmitglied Dr. Michael Emken.
Herr Dr. Emken, die äg Nord will künftig eigene Medizinische Versorgungszentren (ägMVZ) in Schleswig-Holstein gründen und betreiben. Welche Intention steckt dahinter?
Wir sehen schon seit Jahren die Entwicklung, dass Arztsitze nicht nachbesetzt werden können, insbesondere im hausärztlichen Bereich. Nach Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sind im Moment bundesweit knapp 5000 Hausarztsitze nicht besetzt. Das ist eine Katastrophe für die hausärztliche Versorgung. Wir als Ärztegenossenschaft haben uns auf die Fahnen geschrieben, beim Kampf gegen den Hausärztemangel mitzuwirken. Denn wir sind diejenigen, die an der Quelle sitzen. Wir wollen gern unser Know-How als Niedergelassene einbringen und die Dinge zum Positiven beeinflussen.
Die Mitglieder der äg Nord haben dem Vorhaben der MVZ-Gründung bei der jüngsten Generalversammlung grünes Licht gegeben. Wie geht es jetzt weiter? Haben Sie schon angefangen, einen Business- und Zeitplan zu erstellen?
Das ist der übernächste Schritt. Wie bei unserer jüngsten Generalversammlung beschlossen, gründen wir jetzt eine Arbeitsgruppe und dann wollen wir ergebnisoffen mit unseren Mitgliedern diskutieren, wie wir das Vorhaben im einzelnen umsetzen. Wichtig ist, dass uns die Mitgliederversammlung das Signal gegeben hat, dass wir uns im MVZ-Bereich engagieren wollen.
Was schwebt Ihnen denn für ein MVZ-Modell vor?
Es gibt ja strenge Vorgaben, wer genau ein solches Zentrum betreiben darf. Das müssen wir noch genau ausloten, welcher Weg dabei für uns der beste ist. Wir als äg Nord haben bereits Erfahrung mit der Geschäftsführung in kommunalen MVZ. Wir haben auf diese Weise immer wieder versucht, junge Ärztinnen und Ärzte für die Niederlassung zu gewinnen. Das ist nach wie vor unsere oberste Priorität. Da der ärztliche Nachwuchs teils andere Lebensentwürfe hat und andere Schwerpunkte setzt, gehen wir nun in die Offensive und bieten den jungen Kolleginnen und Kollegen an, sie anzustellen.
Und das dann mit der Perspektive, dass sie das MVZ als Selbstständige irgendwann übernehmen können, wenn sie wollen?
Das wäre der Idealfall. Wenn wir den angestellten Ärztinnen und Ärzten zeigen können, dass es Spaß macht, zweigleisig zu fahren, also die Medizin und die unternehmerische Tätigkeit miteinander zu verbinden, wäre das natürlich perfekt. Das ist der genossenschaftliche Gedanke, den wir verfolgen.
MVZ sind nicht gerade dafür bekannt, dass sie rentabel laufen. Welchen Plan haben Sie, um sicherzustellen, dass Sie am Ende nicht draufzahlen? Oder kalkulieren Sie dieses Risiko schon mit ein?
Als Selbstständiger lebt man leider immer mit dem Risiko, dass Dinge auch nicht gelingen können. Aber natürlich gehen wir da rein mit der Perspektive, diese Häuser wirtschaftlich zu betreiben. Wir haben Rahmenbedingungen, die uns das hoffentlich etwas erleichtern, wie die geplante Entbudgetierung im Bereich der Hausärzte. Die Politik möchte, dass Synergieeffekte in der Versorgung genutzt werden, also dass man eben nicht die kleine Einzelpraxis oder mehrere kleine Einzelpraxen nebeneinander betreibt, die alles selbstständig vorhalten müssen, sondern dass man mehrere Arztsitze zusammenfasst und gemeinschaftlich als MVZ betreibt.
Wenn das die Zukunft der ambulanten Medizin sein soll, dann muss es gelingen, diese Häuser wirtschaftlich zu betreiben. Und wenn es unter den Rahmenbedingungen, die die Politik vorgibt, nicht gelingt, dann muss man ihr das auch zurückspiegeln und das Gespräch suchen und zum Beispiel vorschlagen, dass auf die aktuelle Vergütung noch Management-Pauschalen draufgeschlagen werden müssen, damit so ein Versorgungszentrum wirtschaftlich laufen kann. Die äg Nord steht zum Glück im engen Austausch mit der Politik und hat da gute Gesprächskanäle.
Anfangs ist zumindest jede MVZ-Neugründung ein Zuschussgeschäft. Wie viel werden Sie in jedes MVZ investieren müssen, welche Summe haben Sie kalkuliert?
Bevor wir darüber nicht mit unseren Mitgliedern gesprochen haben, möchte ich dazu nicht mit Zahlen an die Öffentlichkeit gehen, da bitte ich um Verständnis.
In Nordrhein hat der Hausärztinnen- und Hausärzteverband vor kurzem ein erstes genossenschaftliches MVZ eröffnet. Allerdings gab es dort anfangs viel Widerstand seitens der Kassenärztlichen Vereinigung und viele juristische Fallstricke. Rechnen Sie in Schleswig-Holstein auch mit solchen Schwierigkeiten?
Die äg Nord hat über viele Jahre sehr gut mit der KVSH zusammengearbeitet. Ich glaube, da gibt es weniger Schwierigkeiten als in anderen Bundesländern. Nun hat die Spitze der KVSH gewechselt und wir müssen abwarten, wie sich die Zusammenarbeit mit dem neuen Vorstand gestaltet. Ich rechne aber ehrlich gesagt nicht mit Schwierigkeiten oder Widerstand von Seiten der KV, zumal wir ja nicht in die Konfrontation gehen. Wir versuchen, mit den aktuellen Gegebenheiten umzugehen und innerhalb der Rahmenbedingungen Lösungen zu finden. Ich denke, dagegen kann keiner etwas haben.
Sind MVZ nicht eine Konkurrenz zu den Praxen der anderen niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen?
Nein. Wir haben das auch bei den kommunalen MVZ immer so gehalten, dass wir frühzeitig ins Gespräch mit den anderen Niedergelassenen in der Region gegangen sind. Die Situation ist ja nicht mehr wie in den 1990er Jahren, als sich Praxen gegenseitig die Patienten abgeworben haben. Heute rollen die Niedergelassenen mit den Augen, wenn sie hören, dass in ihrer Umgebung ein Kollege seine Praxis schließen will. Denn sie wissen, dass sie dann dessen Patienten auffangen müssen, sofern er keinen Nachfolger findet.
Richtiges Neuland sind MVZ für die äg Nord nicht. Sie sagten eben schon, dass ihre Genossenschaft bereits bei einigen Zentren in Schleswig-Holstein das Management übernommen hat. Inwiefern ist das hilfreich bei dem nächsten Schritt, den Sie jetzt gehen wollen, also der MVZ-Gründung?
Erfahrung ist immer von Vorteil, als wenn man einfach so ins kalte Wasser springt. Unsere erfahrenen Mitarbeiter sind dabei eine große Stärke. Darüber hinaus möchte ich noch einmal betonen, dass nicht nur wir Vorstandsmitglieder, sondern auch die übrigen Genossenschaftsmitglieder alle niedergelassene Ärzte oder Psychotherapeuten sind, die selbst die Erfahrung mit der Selbstständigkeit gemacht haben.
Eine Idee ist auch, dass wir ältere Kollegen unter unseren Mitgliedern gewinnen, die mit in die MVZ gehen und die jungen Ärzte und Ärztinnen coachen, damit sie diesen hausärztlichen Spirit mit aufnehmen und leben können.
Diese Arbeitsgemeinschaft, die sie gründen wollen – wie setzt sich die zusammen, wie viele Mitglieder sind da drin und wer ist das genau?
Da sind wir gerade dabei, die Details festzulegen. Aber diese Arbeitsgruppe wird sich aus verschiedenen Bereichen der Ärztegenossenschaft – Vorstand, Geschäftsführung und Mitarbeiter der regionalen Versorgung sowie interessierte Mitglieder – zusammensetzen.
Haben sich denn schon Praxis-Inhaberinnen oder -inhaber an Sie, die äg Nord, gewendet, die ihre Praxis demnächst gern an Sie abgeben würden?
Konkrete Interessenten noch nicht. Aber wir waren durchaus mit der alten KVSH-Spitze im Gespräch darüber, in welchen Orten in Schleswig-Holstein der Versorgungsbedarf besonders groß ist. Wir wollen in erster Linie dort unterstützen, wo die Not am größten ist. Ich will nicht sagen, dass wir MVZ ausschließlich an diesen Orten gründen wollen, aber das haben wir auf jeden Fall im Blick.
Quelle: änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG, Kattjahren 4, D-22359 Hamburg
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