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Genossen stärken den Teamgedanken

02.11.2021 | Info

Der nachstehende Beitrag erschien zuerst im “Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt”. Wir danken für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung auf unserer Website.


Seit wenigen Monaten führt eine Doppelspitze die Geschäfte der Ärztegenossenschaft Nord: Laura Lüth und Lars Prinzhorn haben als Team die Nachfolge von Thomas Rampoldt angetreten. Im Interview mit Dirk Schnack gehen Sie u. a. darauf ein, wie sie die Ärzte in Schleswig-Holstein künftig erreichen wollen und warum sie trotz MVZ-Managements die Selbstständigkeit der Ärzte stärken.

Was ändert sich mit Ihnen beiden in der Geschäftsführung der Ärztegenossenschaft?

Laura Lüth: Wir bringen unterschiedliche Kompetenzen ein und können als Team stärker sein als einer von uns allein. Wir kommunizieren ständig und leben mit diesem teamorientierten Modell in der Geschäftsführung vor, was sich gerade in der jungen Ärztegeneration vollzieht. Denen ist es auch wichtig, dass Arbeit und Leben in Einklang gebracht werden – das wollen wir auch in der Genossenschaft erreichen.

Lars Prinzhorn: Ich glaube auch, dass hier ein wesentlicher Unterschied zu früher besteht: Das Gemeinsame wird noch stärker betont, ohne dass die Genossenschaft völlig umgekrempelt wird. Wir waren ja beide schon vorher in der Genossenschaft tätig und wissen, dass vieles nicht geändert werden muss. Die Ärztegenossenschaft lebt zum Beispiel auch künftig davon, dass an ihrer Spitze Ärztinnen und Ärzte stehen, die aus der Praxis kommen und genau wissen, was unsere Mitglieder bewegt.

Sie sprechen Ihre unterschiedlichen Kompetenzen an. Frau Lüth, welche Kompetenzen schätzen Sie denn an Herrn Prinzhorn?

Lüth: Er kennt die Genossenschaft und das gesamte Gesundheitswesen durch seine langjährige Tätigkeit, diese Erfahrung ist sehr wertvoll. Er ist analytisch, ein Zahlenmensch, der Entscheidungen stets mit Fakten belegen kann.

Und was schätzen Sie an Frau Lüth, Herr Prinzhorn?

Prinzhorn: Sie ist zielstrebig und im administrativen Sektor bestens aufgestellt. Qualitätsmanagement, Datenschutz und Personalführung sind ihre Stärken. Insofern ergänzen wir uns hervorragend.

Was bedeutet das jetzt für die Ärzte, müssen die sich durch die neue Geschäftsführung umstellen?

Prinzhorn: Nein, die generelle Ausrichtung der Genossenschaft wird durch den ehrenamtlichen Vorstand geprägt und wir haben keine davon abweichenden Vorstellungen. Ärzte, die Fragen an die Genossenschaft haben, können sich an jeden von uns wenden, dann schauen wir, wer der beste Ansprechpartner aus dem Vorstand, der Geschäftsführung oder der Mitarbeiterschaft ist.

Welche Probleme bewegen ihre Mitglieder?

Lüth: Die gleichen wie alle anderen niedergelassenen Ärzte auch: Da sind der Fachkräftemangel und zu großer Stress, u. a. durch die Pandemie bedingt. Die Praxen haben mit Bürokratie, Datenschutz und Hygienebestimmungen zu kämpfen – da tauchen Fragen auf, die neben dem eigentlichen Praxisbetrieb geklärt werden müssen und für die eigentlich kaum Zeit ist. Wir versuchen, mit Dienstleistungen zu entlasten. Ein sehr spezielles Problem sind Patienten, die in der Praxis aggressiv auftreten. Dafür organisieren wir De-Eskalationstrainings, die gut angenommen werden.

Prinzhorn: Und dann ist da noch das Problem, dass die Arbeit der Medizinischen Fachangestellten (MFA) von der Öffentlichkeit immer als selbstverständlich angesehen wird, aber von der Politik nicht im Entferntesten die gleiche Wertschätzung erfahren hat wie etwa die von Pflegekräften. Die Praxischefs wissen, wie unverzichtbar und wertvoll die MFA sind. Deshalb versucht die Genossenschaft immer wieder, dieses Thema auch in die Öffentlichkeit zu bringen und jetzt darauf aufmerksam zu machen, dass die Praxen und damit auch die MFA noch lange Zeit mit dem Thema Long Covid beschäftigt sein werden. Die Belastung, die sich daraus für die Praxisteams ergibt, hat die Öffentlichkeit noch gar nicht erfasst. Wir müssen also das Bewusstsein für die Bedeutung des ambulanten Sektors stärken.

Viele verbinden die Arbeit der Genossenschaft mit den kommunalen MVZ, die Sie betreuen – insgesamt neun in ganz Schleswig-Holstein. Die kommunale Eigeneinrichtung in Büsum ist bundesweit bekannt und entwickelt sich mehr und mehr zum Vorzeigemodell. Da kann leicht der Eindruck entstehen, die Ärztegenossenschaft unterstütze dabei, die Selbstständigkeit im ambulanten Sektor abzuschaffen.

Lüth: Das Gegenteil ist der Fall. Die Ärztegenossenschaft arbeitet intensiv daran, die Selbstständigkeit zu erhalten. Unsere Arbeit beginnt ja nicht mit Gründung der MVZ, sondern viele Jahre davor. Wir schauen uns die Strukturen vor Ort an, führen Gespräche mit allen Beteiligten und loten aus, welche Lösungsmöglichkeiten bestehen. Oft kommt es dann zu tragfähigen Lösungen mit selbstständig tätigen Ärztinnen und Ärzten. Solche Beispiele gibt es etwa in Jevenstedt, in Wöhrden und in Kellenhusen nahe Grömitz. Es gibt aber auch Regionen, in denen die Kommune so eingebunden werden muss, dass sie in die Trägerschaft geht. Diese Modelle werden dann in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen. Uns geht es darum, dass die Weichen für die ambulanten Strukturen vor Ort so gestellt werden, dass die Versorgung erhalten bleibt. Das passiert für uns nur im Einklang mit den niedergelassenen Ärzten der Region.

Sie betonen immer wieder, dass die Arztsitze aus den MVZ von den angestellten Ärzten jederzeit in eine Selbstständigkeit umgewandelt werden könnten. Das aber passiert nie. Ist das nur ein Alibi-Argument, stehen nicht am Ende weniger Selbstständigkeit und mehr Einfluss der öffentlichen Hand?

Prinzhorn: Unsere Modelle gibt es noch gar nicht lange genug, um das beurteilen zu können. Die Modelle sind so angelegt, dass junge Ärzte über die Anstellung zunächst in die Regionen und in die ambulante Versorgung kommen, dann die Arbeit vor Ort kennenlernen und sich dort etablieren. Die Entscheidung für eine eigene Praxis aber braucht Zeit, die wird heute mit der ganzen Familie getroffen und muss reifen. Im Übrigen: Es ist zwar richtig, dass bislang aus den MVZ noch keine Arztsitze wieder in die Selbstständigkeit gegangen sind. Aber wir hatten schon einige Ärztinnen und Ärzte in den Einrichtungen angestellt, die dann nach einiger Zeit andere Arztsitze in Schleswig-Holstein übernommen haben und seitdem selbstständig in eigener Praxis niedergelassen sind. Ich finde, das spricht für das Modell.

Sie managen die MVZ, haben in diesem Bereich Erfahrung und Know-how. Es gibt ja große Praxen und Verbünde im ambulanten Sektor in Schleswig-Holstein, die das bislang bei Ihnen aber nicht nachfragen. Warum sind Sie da nicht gefragt?

Prinzhorn: Unseren Managementaufträgen in den kommunalen MVZ geht eine längere Beratungsphase voraus, in der wir uns Vertrauen erarbeiten. Das ist ein wichtiger Unterschied. Diese Phase haben wir nicht, wenn es um das Management schon bestehender, großer Praxen geht.

Lüth: Grundsätzlich sind wir für diese Idee sehr offen und übernehmen gerne das Management oder Teile davon auch von ärztlich getragenen Praxen. Aber auch das ist eine Entwicklung, die Zeit braucht. Viele dieser Verbünde haben ja schon eigene Praxismanager dauerhaft im Haus und wägen natürlich die Kosten und die Zeit, die sie dafür bekommen, genau ab.

Ihre Organisation kommt aus einer Zeit mit großem Rückhalt in der schleswig-holsteinischen Ärzteschaft und hatte mal über 2.000 Mitglieder. Seit Jahren werden das weniger, heute liegen Sie nur noch bei rund 1.700. Wie wollen Sie diesen Negativtrend stoppen?

Lüth: Indem wir unseren Dienstleistungsfokus noch stärker schärfen. Für selbstständig tätige Ärzte ist es dauerhaft wichtig, dass Prozesse verbessert werden und Kosten wenn möglich gesenkt werden. Dann werden wir gezielt überlegen, welche Angebote wir für angestellte Ärzte in den Praxen schaffen können. Für diese Gruppe sind andere Angebote als für Selbstständige wichtig. Wir haben zwischen 50 und 100 Mitglieder, die in Praxen angestellt sind, und diese Gruppe wächst.

Prinzhorn: Heute zählen hauptsächlich Dienstleistungen, früher war es mehr der gemeinsame politische Protest. Ein politisches Thema, das alle eint, ist heute aber nicht vorhanden. Viele sind eher diskussionsmüde und wollen Unterstützung, damit ihre Praxis läuft – dafür verstehen wir uns als der richtige Ansprechpartner.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Dirk Schnack.

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