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Corona: Wer hat sich den Ehrenkranz verdient?

20.03.2020 | Info

Wenn wir nach der eigentlichen Bedeutung des Wortes schauen, fragen wir uns, wer sich dieser Tage eigentlich die Corona – den “Ehrenkranz” – verdient hat. Die Politik doch wohl nicht? Sie hat seit Ende Januar wertvolle Zeit verstreichen lassen, bis sie nun zu drastischeren Maßnahmen greifen musste, die jetzt Kleinunternehmer und Mittelstand ins Straucheln bringt. Wir durften ungehindert Karneval feiern, in den Ski-Urlaub reisen, Gäste aus China, Norditalien und dem Iran empfangen und aus NRW ungehindert nach Norddeutschland reisen. Da hätte ich mir schon einen mutigen Politiker und Krisenmanager im Format des Helmut Schmidt gewünscht! Als Befürworter des föderalen Prinzips und regionalen Entscheidungsspielräumen im Gesundheitswesen, hätte ich mir im Anlauf der Pandemie tatsächlich mehr Zentralisierung gewünscht.

Bessere Informationspolitik und Abstimmung der Maßnahmen bis in die Krankenhäuser und Arztpraxen hinein.

Offensichtlich waren zurückliegende SARS-Ausbrüche zu weit weg, Schweinegrippe, EHEC und die Grippesaison 2017/2018 zu lange her. Stattdessen waren alle Verantwortlichen im Februar noch im Winterschlaf, keine einzige Nachricht im Abstand von fast vier Wochen, die sich an uns niedergelassene Ärzte gerichtet hätte. Dass wir im Katastrophenfall und zur Abwehr einer Pandemie keine nationalen Reserven an Schutzausrüstung und Masken eingelagert halten, hätte ich vor der Krise nicht für möglich gehalten. Bananenrepublik oder Entwicklungsland Deutschland? Auch die Öffentlichkeitsarbeit war leider dilettantisch! Keine aufklärenden Videos und Anzeigen, die Ziele, sich ableitende Verhaltensregeln und Maßnahmen leicht verständlich erklären und von offizieller Regierungsstelle in sozialen Medien und Fernsehen lanciert und so auch der Verbreitung von Fake-News entgegentreten wären. Dies wurde den öffentlichen und privaten Medien allein überlassen. Trotz Hamsterkäufen flackerte in diesem Handlungsvakuum unsere Zivilgesellschaft auf, private Initiativen mit kreativen Ideen und Nachbarschaftshilfe ließen und lassen hoffen.

Wir Hausärzte, die auch ohne Krise schon am Anschlag arbeiteten, fühlten uns besonders allein gelassen. Alle Stellen, ob Politik, Medien, Gesundheitsämter und Arbeitgeber verwiesen an uns, wir sollten nun die strukturellen Schwächen im System abfedern. Dafür herzlichen Dank, dass man in uns niedergelassene Ärzte ein so großes Vertrauen setzt, uns aber gleichzeitig in Bürokratie erstickt, mit Regressen bedroht und mit ausgelutschten Abrechnungspauschalen den Budgettod sterben lässt! Auch wenn uns nun der eigentliche Stresstest noch bevorsteht, können wir schon etwas mitnehmen. Die Lockerung des Fernbehandlungsverbots war berufspolitisch genau die richtige Entscheidung, die uns zwar nicht nur Freude ernten lies, in der jetzigen Krise aber z. B. den Einsatz von Telemedizin ermöglicht. Wir können nur hoffen, dass unsere Körperschaften – gerade auch die Selbstverwaltung der Krankenkassen – nun das Einsehen haben, das Abrechnungssystem den heutigen Ansprüchen einer modernen Versorgung anzupassen. Gerade der Patient, der nicht die Praxis betritt, weil er von uns bestens behandelt und außerhalb gut geführt wird, muss anständig honoriert werden. Von der Politik ist zu fordern, dass wir, die wir uns an der “Versorgungsfront” aufopfern, gute Arbeitsbedingungen und gerechtere Entlohnung erhalten. Da spreche ich als Arzt gerade auch für unsere MFAs und die Pflege. Schafft endlich diese unsäglichen Budgets und Regresse für uns Grundversorger ab, wir schultern nicht nur jetzt die Corona-Krise, sondern jeden Winter aufs Neue die Grippewelle! Sorgt endlich für bessere Steuerungselemente, um Patienten bedarfsgerecht in die richtige Versorgungsebene zu heben!

Na, wer sich in dieser Krise den Ehrenkranz verdient hat, muss ich wohl an dieser Stelle nicht mehr sagen. Doch machen wir uns nichts vor, nach einer Krise sind die Helden schnell vergessen und zugegeben, Denkmäler und Ehrenkränze helfen uns auch nicht weiter. Packen wir deshalb an, zeigen wir erneut unserer Gesellschaft das Leistungsvermögen der ambulanten Versorgung, aber hören wir nicht auf, für das Gute und Gerechte zu kämpfen. Die Politik ist aufgefordert, endlich die richtigen Schlüsse zu ziehen und überfällige Entscheidungen für unser Gesundheitssystem zu treffen!

Dr. Svante Gehring

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